Wäre der Bau eines Vollsortimenter-Marktes in der Veltener Innenstadt nachhaltig?


Bildquelle: Marcel Ruffert

Im Zuge der Maßnahmen zur Belebung unserer Innenstadt, soll östlich des Marktplatzes ein Vollsortimenter-Markt entstehen. Dieser soll die Innenstadt mit Leben füllen und dabei helfen den Leerstand auf unserem Marktplatz zu bekämpfen. Die Grundannahme: Ein Vollsortimenter-Markt zieht täglich 1.000 bis 2.000 Kunden an, die wiederum das umliegende Stadtgebiet (hier unsere Innenstadt) nutzen und es so beleben.

Da ein solches Projekt das Gesicht unserer Innenstadt wesentlich verändern würde und auch sonst großen Einfluss auf das Geschehen in unserem Stadtzentrum hätte, stellt sich die Frage: Wie nachhaltig wäre der Bau eines Vollsortimenter-Marktes in der Innenstadt? Um diese Frage beantworten zu können sind folgende politische Zielsetzungen als unumstößlich gegeben anzusehen, da diese die Notwendigkeit eines solchen Vorhabens wesentlich begründen:

  • Velten soll weiter wachsen. (Aktuell 12.500 Einwohner, Ziel: 16.500 Einwohner (Fortschreibung des INSEK von 2015))
  • Velten will die Qualität seines Lebensmitteleinzelhandels steigern. (Aktuell: 1 Vollsortimenter und 5 Discounter)
  • Wie Anfangs bereits erwähnt: Die Innenstadt soll belebt und die Leerstände auf dem Marktplatz und in der Viktoriastraße beseitigt werden.

Wie nachhaltig ein Projekt ist, lässt sich anhand dessen Auswirkungen auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie, Soziales) analysieren. Mittels einer solchen Analyse lassen sich Schlüsse darüber ziehen, ob ein Projekt bereits nachhaltig geplant ist oder welche Maßnahmen noch ergriffen werden müssen, um ein Projekt nachhaltig zu machen. Eine solche Analyse möchte ich nun nachfolgend ansatzweise versuchen.

Ökologische Dimension

Eine der wichtigsten Ressourcen im modernen Städtebau ist die Fläche. In den letzten Jahrzehnten wuchsen unsere Städte immer weiter in die Breite, was wiederum eine Zersiedelung des Stadtraums zur Folge hatte – viele Städte wirken deshalb unzusammenhängend. Gleichzeitig wurden dadurch viele Biotope und Naturräume zerstört, die Folge: Die Biodiversität nahm ab.

In der modernen (und nachhaltigen) Stadtplanung ist der Trend genau umgekehrt. So hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer “Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie” beschlossen, die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr, bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren (Zum Vergleich: In den Jahren 1993 bis 2003 waren es 120 Hektar pro Tag.). Städtebauliche Maßnahmen sollen sich daher künftig auf innerstädtische Brachflächen konzentrieren und nicht auf die Erschließung neuer Randgebiete. Vergleicht man das mit unserem Projekt, dann ist genau das der Fall: Anstatt neue Flächen in Randlage zu erschließen, soll eine vorhandene Brache in der Innenstadt geschlossen werden.

Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist die Flächenversiegelung. Durch die Realisierung eines solchen Vorhabens in unserer Innenstadt, verschwinden nicht nur Bäume sondern auch vorhandene Grünflächen. Hier gilt es Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So muss es einen festgeschriebenen Prozentsatz an Neupflanzungen geben der die jetzigen Bäume ersetzt. Idealerweise ist, sofern möglich, auch das Dach des Gebäudes für Gegenmaßnahmen mit zu nutzen. Und tatsächlich gehen die aktuellen Planungen für den Vollsortimenter in diese Richtung: Im Umfeld des Vollsortimenters sind Ersatzpflanzungen für Bäume geplant – nur ein fester Prozentsatz fehlt noch. Auch ist geplant, auf dem Vollsortimenter-Markt eine öffentlich-zugängliche Grünanlage zu schaffen, welche die jetzige Grünfläche ersetzen würde. Insgesamt sind also Maßnahmen geplant, um die Flächenversiegelung die dieses Vorhaben mit sich bringt, auszugleichen.

Der Bau eines Vollsortimenter-Marktes im Stadtzentrum (und die damit einhergehende Belebung unserer Innenstadt) hätte aber auch eine Mehrbelastung unserer Verkehrsinfrastruktur zur Folge. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass egal durch welche Maßnahme wir unsere Innenstadt beleben, diese infolge dessen verkehrstechnisch stärker belastet wird – hier insbesondere die Viktoriastraße. Da die Viktoriastraße für hohe Verkehrsaufkommen nur bedingt geeignet ist, muss der Verkehr umgelenkt bzw. über andere Verkehrswege gesteuert werden. Hier bietet sich eine Steuerung des Liefer- und Kundenverkehrs über die Poststraße (Hauptverkehrsachse) und den südlichen Katersteig an – der im Zuge dessen verbreitert werden müsste. Zusätzlich dazu, sollten mit dem Bau des Vollsortimenters auch ausreichend Fahrradstellplätze und Ladesäulen geschaffen werden, um alternative Fortbewegungsmittel (Fahrräder, E-Bikes) zu fördern, um so wiederum, einer Verstärkung der Luftverschmutzung entgegenzuwirken. Diese Punkte finden in der aktuellen Planung bereits teilweise Berücksichtigung.

Auch wenn ein Vollsortimenter in der Innenstadt vordergründig negative Auswirkungen auf die Umwelt zu haben scheint, so ist durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen das Gegenteil der Fall. Besonders zu betonen ist, dass durch den Bau eines Vollsortimenters eine teilweise unansehnliche Brache im Herzen der Stadt verschwinden und ein neuer Anziehungspunkt geschaffen werden würde, der durch seine geplanten Eigenschaften das urbane Lebensgefühl befördern kann (sofern die Brache vollständig genutzt wird).

Ökonomische Dimension

Neben den ökologischen Auswirkungen, müssen auch die ökonomischen Auswirkungen eines möglichen Vollsortimenter-Marktes in unserer Innenstadt betrachtet werden. So befinden sich im Umfeld des geplanten Standortes zwei Discounter. Hier liegt die Vermutung nahe, dass diese sich gegenseitig “kannibalisieren”, jedoch ist auch hier das Gegenteil der Fall: Discounter haben nur ein relativ flaches und schmales Sortiment, hingegen Vollsortimenter weitaus differenziertere Sortimente anbieten, weshalb sich Discounter und Vollsortimenter eher ergänzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Nachbargemeinde Leegebruch. Hier gab es lange Jahre an der Hauptverkehrsachse nur einen Discounter und einen Vollsortimenter, mittlerweile haben sich beide erweitert und ein zusätzlicher Discounter konnte sich dort auch noch etablieren.

Ein weiterer Punkt ist die Belebung der Innenstadt und des Einzelhandels, auf unserem Marktplatz und in der Viktoriastraße. Auch hier besteht die Befürchtung, dass ein Vollsortimenter in unmittelbarer Nachbarschaft die letzten Einzelhändler aus der Innenstadt vertreibt und nur sich selbst belebt. Ein weiteres Mal ist hier das Gegenteil wahrscheinlich: Vollsortimenter haben eine Sogwirkung. Mit einem geschätzten Kundenverkehr von 1.000 bis 2.000 Kunden täglich, ist anzunehmen, dass ein Vollsortimenter am gewählten Standort eher zur Beseitigung des Leerstandes beitragen würde, anstatt ihn zu verstärken. Eine nachvollziehbare Annahme, die durch Kundenverhalten bestätigt wird: Viele Menschen verbinden ihre Einkäufe heutzutage mit der Freizeitgestaltung. So ist beispielsweise ein Besuch im Café, im Vorfeld eines Wocheneinkaufes (oder danach), eine wahrscheinliche und alltägliche Annahme, die sich auch auf Velten, seinen Marktplatz und den geplanten Vollsortimenter anwenden lässt. Hinzu kommt, dass ein Großteil des Veltener Einzelhandels bereits auf dem Marktplatz und in der Viktoriastraße konzentriert ist, kurz gesagt: Viele Menschen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur im Vollsortimenter einkaufen gehen, sondern in Verbindung mit ihrem Einkauf auch über den Marktplatz schlendern und die dortigen Geschäfte nutzen. Da sich der meiste Veltener Einzelhandel bereits im Stadtzentrum befindet, wird es anderswo also auch keine Verstärkung des Leerstandes geben können.

Somit lässt sich sagen, dass ein Vollsortimenter in der Innenstadt unsere Wirtschaft eher stärken würde, anstatt ihr zu schaden – darüber hinaus bedingt das politische Ziel “Velten soll wachsen” auch den Ausbau des städtischen Lebensmitteleinzelhandels. Durch die Eigenschaften eines Vollsortimenters (z.B. seine Anziehungskraft) und durch den anvisierten Standort in der Innenstadt, lassen sich vordergründig keine negativen Auswirkungen in der Ökonomischen Dimension feststellen, die Gegenmaßnahmen bedingen würden.

Soziale Dimension

Die sozialen Auswirkungen eines Vollsortimenters in der Veltener Innenstadt scheinen vordergründig eher abstrakt greifbar, lassen sich aber mit einem einfachen Beispiel gut erläutern, nämlich mit Veltens Bevölkerungsstruktur. Mittlerweile zählen ca. 50% der Veltener Bürger zu den lebensälteren Menschen, ein Großteil davon wohnt auch in der Innenstadt, der einzige Vollsortimenter befindet sich jedoch am anderen Ende der Stadt. In Veltens Innenstadt einen weiteren Vollsortimenter zu etablieren, bedeutet also auch die Versorgung unserer älteren Mitbürger und Senioren zu verbessern – gerade unter Berücksichtigung der neuen Seniorenresidenz an der Breiten Straße und des Altersgerechten Wohnens an der Poststraße.

Wie bereits erwähnt, würde eine Belebung der Innenstadt vor allem die Viktoriastraße mit mehr Verkehr belasten. Da sich in der Viktoriastraße Wohnhäuser, Einzelhändler und eine Grundschule befinden, hätte ein höheres Verkehrsaufkommen dort, negative Auswirkungen auf die Soziale Dimension (höhere Gefährdung der Schüler, höhere Lärmbelästigung, etc.). Um diesen entgegenzuwirken, heißt die Lösung auch hier: Steuerung des Liefer- und Kundenverkehrs über die Poststraße und den südlichen Katersteig. In diesem Bereich haben sowohl die Poststraße als auch der Katersteig fast keine Wohn- und Gewerbebebauung und nur eine zeitlich begrenzte soziale Nutzung, so, dass die Herausforderungen in diesem Bereich um ein Vielfaches geringer ausfallen.

Ein Vollsortimenter in der Innenstadt hätte also soziale Vorteile, wie auch Nachteile. Neben der besseren Versorgung unserer älteren Mitbürger, würde auch der geplante Spielplatz (der Teil der Grünanlage auf dem Dach werden soll) unsere soziale Infrastruktur stärken. Die Nachteile hingegen, lassen sich gut mit entsprechenden Maßnahmen ausgleichen, so, dass ein Vollsortimenter in der Innenstadt auch die soziale Dimension ausreichend berücksichtigt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bau eines Vollsortimenters in der Veltener Innenstadt, am gewählten Standort, nachhaltig wäre, wenn folgende zusätzliche Punkte auch berücksichtig und umgesetzt würden:

  • Im Plangebiet gibt es einen festen Prozentsatz an Baumpflanzungen.
  • Die Grünanlage die auf dem Dach des Gebäudes geplant ist, wird mit zusätzlichen Baumpflanzungen entwickelt.
  • Im Plangebiet gibt es genug Fahrradstellplätze und Ladesäulen für E-Bikes.
  • Auf dem Dach des Gebäudes wird der bereits geplante Spielplatz in Verbindung mit der geplanten Grünanlage realisiert.
  • Die Brachfläche am geplanten Standort wird vollständig genutzt und entwickelt. (Bewahrung der Möglichkeit einer Wohnbebauung an der Viktoriastraße.)
  • Die Steuerung des Liefer- und Kundenverkehrs erfolgt über die Poststraße und den Katersteig. (Inklusive der Prüfung von eventuell notwendigen Lärmschutzmaßnahmen, bedingt durch den Lieferverkehr.)

Unter Einbeziehung des aktuellen Planungsstandes und der nun zusätzlich formulierten Anforderungen, würde jede Nachhaltigkeitsdimension ausreichend berücksichtigt werden ohne eine der anderen Dimensionen “zu schaden” – für jeden Punkt, der eine Dimension negativ beeinflussen könnte, besteht die Möglichkeit entsprechender Ausgleichsmaßnahmen. Da das Gleichgewicht aller Dimensionen bewahrt werden kann, ist eine nachhaltige Entwicklung am geplanten Standort möglich und gegeben.

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